Wie die Bewegung in die Steinskulptur kommt. Anmerkungen zu der Kunst von Ulrich Hochmann.

Von Herbert Schneidler

Seit den frühen 90er Jahren des 20. Jahrhundert beschäftigt sich Ulrich Hochmann mit einer Technik, die im vergangenen Jahrhundert bisweilen im Schatten neuer Materialien und Arbeitsweisen stand; nämlich mit der Steinbildhauerei. Gerade sie ist es aber, die als eine Gattung der bildenden Kunst auf die längste Entwicklungsgeschichte verweisen kann, ohne größere Unterbrechungen aufgrund irgendwelcher Rangstreitigkeiten innerhalb der bildenden Künste erlebt haben zu müssen. Vielerlei Gründe mögen hierfür ausschlaggebend gewesen sein – der bedeutsamste scheint jedoch im Material an sich zu liegen. Stein als ein Urelement des Menschen, mit dem er in frühen Zeiten seiner Geschichte sich und seiner Stellung innerhalb der Natur mehr und mehr bewusst wurde. Der Stein als Werkzeug bis hin zum Stein als Kunstwerk überdauerte vieles in der Menschheitsgeschichte und war im Allgemeinen nur den von der Natur hervorgerufenen Veränderungen unterworfen.

Unter den Händen von Ulrich Hochmann, Zeit seines Lebens ein „Naturmensch“, bleibt der Stein ein Stein und doch erfährt er eine Gestaltung durch den Künstler, die in dem Zwischenbereich von Natur- und Kunsthaftigkeit zu suchen ist. Vor etwa zehn Jahren wandte der Bildhauer sich vom figurativen Erscheinungsbild seiner Skulpturen ab, nicht zuletzt, um das System „Ewigkeit“ aufzuweichen, das dem Stein als Denkmal o.ä. zugewiesen wird. Ulrich Hochmann begann, den Stein zu spalten und damit zu öffnen: „Keile in Löchern bauen die Spannung auf, bis der Stein reißt.“ (Ausst.-Buch, Walterspiel-Farbicons: „Hochmann-Teilchenbewegung“, S.3, Kunstpavillon Alter Botanischer Garten, München, 2007 )

In seinen Kunstfindungsprozess finden Kalkül und Zufall Eingang und der anthropomorphe Charakter weicht einem abstrakten, objekthaften Erscheinungsbild. Ulrich Hochmann will aber noch mehr und sucht nach Möglichkeiten, den Betrachter seiner Skulpturen stärker in seiner Wahrnehmung herauszufordern: In seinen „Artikulata“ thematisiert der Bildhauer das Öffnen von Gestein, wobei das prägende Scharnier das Moment der Bewegung in das Spiel bringt.

Auch bei den „Modulas“ wird das Scharnier zur eigentlichen Skulptur: Scharniere wirken wie Gelenke von Lebewesen. Die Veränderbarkeit wird zu der wichtigsten künstlerischen Intention von Ulrich Hochmann – sie impliziert einen zeitlichen Verlauf, einen Bewegungsablauf, der der Persönlichkeit des Künstlers radikal gerecht wird. Leben und Kunst rücken immer näher, was sich in Aktionen wie „Steinschwimmen“ auf entschiedene Weise äußert und augenscheinlich wird.

Dabei arbeitet der Bildhauer mit den klassischen Gesteinsarten wie Basalt, Granit, Kalkstein oder Marmor und er bereitet seine Objekte mit Skizzen vor, die vor allem die Wechselwirkung von der persönlichen Idee und ihrer Umsetzung mittels des Gesteins beinhalten.

Die reduzierte, bisweilen seriell technoid anmutende Formensprache gerade in seinen jüngst entstandenen Skulpturen führt eine Kunstauffassung vor Augen, die mir im Umfeld seiner Bildhauergeneration als eine ganz besondere scheint. Ulrich Hochmann fungiert nicht nur als Bildhauer, sondern auch als Experimentator, der die Nähe seiner Betrachter sucht und deren Wahrnehmung, sei sie visueller oder auch haptischer Art, intensiv untersucht.

Dafür dient ihm das mobile Wesen seiner Steinarbeiten, das gleichsam scheinbar eine Leichtigkeit des Steins suggeriert. Eine ungewohnte, wenngleich radikale Ästhetik tut sich auf und kommt, wie erwähnt, dem Bedürfnis der Verschmelzung von Kunst und Leben eindrucksvoll nahe.

So seien schließlich Worte eines „Urahnen“ von Ulrich Hochmann, nämlich von Marcel Duchamp zitiert, deren Gültigkeit das eindrucksvolle Oeuvre dieses Bildhauers unterstreichen:

„Der schöpferische Vorgang erhält völlig neue Bedeutung, wenn der Betrachter sich dem Phänomen der Verwandlung gegenüber sieht: Mit der Verwandlung der trägen Materie in ein Kunstwerk findet eine eigentliche Substanzverwandlung statt und die wichtige Rolle des Betrachters besteht darin, das Gewicht des Werkes auf der ästhetischen Waage zu bestimmen.“ ( Zitiert nach: Eduard Trier: „Bildhauertheorien im 20.Jahrhundert“, S.174, Berlin, 1980)